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FÜR WEN?

In Deutschland leiden etwa 300 000 Menschen (ca 0.4% der Bevölkerung) an Insulinmangel (Typ-1-Diabetes). Die Erkrankung tritt zu ungefähr 90% im Kindes-/Jugendalter auf. Hiervon unterscheidet man den 10-mal häufigeren Typ-2-Diabetes (früher "Alterszucker" oder "Übergewichtszucker" genannt). Typ-1-Diabetiker müssen meist sofort mit Insulin und einer zeitlich und mengenmäßig starr festgelegten Diät behandelt werden. Trotz maximal aufwendiger Spritzentherapie gelingt es oft nicht, die (Blutzucker)-Stoffwechsellage so zu kontrollieren, daß langfristig invalidisierende Folgeschäden vermieden werden können. Die aktuelle Lebensqualität wird zusätzlich von der täglichen Therapiebürde, den starren Zeit- und Essensrhythmen und von Unterzuckerungen eingeschränkt.

Die 1993 beendete DCCT-Studie (USA) an 1441 Typ-1-Diabetikern über durchschnittlich 6,5 Jahren, ihre Nachfolguntersuchung und die 1997 beendete UKPD-Studie (Großbritannien) an 5102 Typ-2-Diabetikern über median 11,1 Jahren wiesen eindeutig nach, daß mit jeder Verbesserung der BZ-Stoffwechsellage das Auftreten und das Fortschreiten von diabetischen Folgeschäden (drastisch) vermindert wird.

 

DIE INSULINPUMPE

Eine weitaus höhere Erfolgsrate bei deutlicher Therapie- und damit Lebensflexibilisierung bietet ein kleines halbautomatisches Gerät, die Insulinpumpe, die äußerlich getragen, über einen Schlauch mit Nadel ständig vorprogrammierbare Mengen von Insulin unter die Haut "pumpt". Seit Beginn der 80-er Jahre ist sie zur Routinetherapie auf hohem Niveau gereift. Wegen der hohen Anforderungen an die medizinische Infrastruktur kann sie aber nur in hochspezialisierten Zentren angeboten werden. Man schätzt die Zahl der Insulinpumpenträger in Deutschland auf ungefähr 30000, dies sind ca. 10 % der Typ-1-Diabetiker. Der wirkliche Bedarf ist wesentlich höher und vermehrt sich um alle diejenigen, welche mit den starren Zeit- und Eßzwängen der Insulin-Spritzentherapien nicht klar kommen und vermindert sich um die, welche sie aus emotionalen Gründen ablehnen.

 

DIE BISHERIGE VERSORGUNGS-INFRASTRUKTUR

Pumpentherapien konnten bisher fast nur in spezialisierten Krankenhäusern begonnen werden, weil derzeit nur dort behandelnde Ärzte mit dieser Therapieform ausreichend Erfahrungen sammeln können und meist eine lückenlose Überwachung der Einstellungsphase der Pumpen-Neulinge wünschenswert erscheint. Die jahr(zehnt)elange hochdifferenzierte Nachversorgung fällt Kliniken aber aufgrund ihrer Personalfluktuation, mangelnder vertragsärztlicher ambulanter Basis und personeller Überlastung sehr schwer, diese sehr zeitintensive Betreuung muß dort "nebenher" erledigt werden. Die niedergelassenen Ärzte sind hiermit zwangsläufig überfordert oder unterschätzen den großen Aufwand. Als "Insider" weiß ich, daß selbst die bisherigen Pumpenzentren der aktuellen Versorgung mit Insulin-Pumpen nicht nachkommen und über die entlassenen Pumpenpatienten oft den Überblick verloren haben. Die Nachfrage-Situation verschärft sich, weil die Insulinpumpentherapie derzeit aufgrund fehlender Alternativen weit bekannt wird.

 

DER PUMPENPATIENT

Wer als Diabetiker eine Pumpentherapie anstrebt, will mit seinem ständigen Lebenshandicap rational umgehen. Er ist motiviert. Er braucht für die Einlernphase und für die Nachbetreuung professionelles know how und eine tatsächliche Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft von erfahrenen, zugewandten Helfern. Es sind meistens sehr selbständige Menschen, die bereits längere Zeit eine maximale Spritzentherapie absolviert haben, diabetologisch bestens geschult sind, ihr Spätschaden-Status ist bekannt. Wenn medizinisches know how und Überwachung gewährleistet sind, ist hierzu die (teure) Krankenhaus-Infrastruktur nicht erforderlich, Diabetiker(innen) lehnen sie meist ohnehin wegen leidvoller Insuffizienz-Erfahrungen ab. Als "eigentlich Gesunde" bedürfen sie auch keiner Krankenhauspflege, noch einer besonderen Versorgung, im Gegenteil: die neue Therapieform sollte sich von vorneherein in möglichst normalem Alltag abspielen, um Übergangsproblemen von der "Klinik" zum Alltag vorzubeugen. Dieses Prinzip steckt auch hinter der Berliner Diabetes-Nachtklinik, in welche die Patienten abends, nach ihrem normalen Alltag (Berufsleben), zur Diabetestherapie einkehren und während der Einstellungsphase übernachten. Ein derartiges Modell kann naturgemäß nur in sehr großen Städten realisiert werden.

 

ZU MEINER PERSON

Als ehemals leitender Oberarzt der Diabetes-Klinik Bad Mergentheim (von 12 / 1984 bis 6 / 1993) habe ich von Anfang an alle Insulinpumpenbehandlungen selbst eingeleitet, durchgeführt und ambulant betreut. Danach habe ich mir die Lebensaufgabe gestellt, für die oben näherbezeichnete Patientengruppe eine zeitgemäße Infrastruktur aufzubauen, deren Umfang sich durch das Streben nach guter Prozeß- und Ergebnisqualität (=Lebensqualität) begrenzt. Derzeit betreuen wir ca. 3000 Pumpenträger aus ganz Deutschland.

 

KINDER MIT DIABETES

Die Weichen für invalidisierende Folgeerkrankungen des Diabetes werden oft schon in der Kindheit gestellt. Deshalb führe ich seit April 1998 mit der Kinderärztin Frau Dr. Ellen Gillig eine diabetologische Gemeinschaftspraxis. Seitdem finden jeweils im Frühjahr und im Sommer Kurse für diabetische Kinder- und Jugendliche mit ihren Eltern statt. Diese wohnen in kompletten Wohungen für bis zu 5 Personen. Eltern werden erwachsenengerecht und ihre diabetischen Kinder altersgemäß (auch spielerisch) theoretisch und praktisch im Umgang mit ihrem Diabetes geschult. Sie leben während diesen Kursen mit Gleichbetroffenen zusammen.

 

ÜBER DAS PROJEKT "DIABETES-DORF"

Seit Oktober 1994 wird Zug um Zug der Ausbau meiner Pumpenambulanz zu einer ambulant-überwachten Therapieeinrichtung für Insulinpumpen-Patienten, diabetische Kinder und diabetische Jugendliche ausgebaut, Diabetes-Dorf, genannt. Mit dieser Namensgebung vermeide ich bewußt den Anspruch, Krankenhaus sein zu wollen. Die Bezeichnung "Dorf" verspricht Geborgenheit und weist auf die Einbindung dieser Einrichtung in das Dorf Althausen hin. Auf entmündigende Hierachien und funktionell unbegründete Versorgungsstrukturen wird verzichtet.

1 Praxishaus (seit 8/93, Erweiterungsbau 1995 und 2000, von 3/1998 bis 09/2014 Gemeinschaftspraxis mit kinderärztl. Diabetologin: Fr. Dr. Ellen Gillig)
4 "normale" Mehrfamilienhäuser (1995, 1996, 1997),
1 kombiniertes "Rat- und Kinderhaus" (1999),
Werkstatt und Gewächshaus
,
geplant: 1 Apotheke bzw. Versandhandelhaus

sollen zu einer kleinen, dorfähnlichen Struktur zusammenwachsen. Gebaut wurden bisher: das Praxishaus, 4 Wohnhäuser, 1999 wurde das kombinierte "Rat- und Kinderhaus" fertiggestellt. Wir haben hierin auch realistische ökologische Prinzipien verwirklicht. Dieses Projekt wird von der Stadt Bad Mergentheim und dem Ort Althausen unterstützt.

In jedem Zweifamilienhaus leben für knapp 3 Wochen maximal je 9 Typ-1-Diabetiker(innen) bzw. deren Angehörigen, die gemeinsam an- und abreisen und je 1 Bezugsperson aus dem Behandlerteam. Unter normnahen Alltagsbedingungen (sie kochen selbst, halten das Haus und die unmittelbare Umgebung in Ordnung) lernen sie sich in die Pumpentherapie ein. Das hierachiearme Lernen in der Kleingruppe wird ergänzt durch gemeinsame Lern- und Motivationshilfen im "Rathaus", praktische Hilfe kann man sich von Diätfachpersonal einholen. Lernen, Essen bereiten, Üben, Essen, Diskussionen zur Therapiefindung, Anpassungsübungen, ärztliche und psychologische Gespräche, erforderlichenfalls Behandlungen, Haushaltsarbeiten und Arbeitssimulation wechseln einander ab.
Das Diabetes-Dorf kann maximal 59 Typ-1-Diabetiker beherbergen und schafft für ungefähr 10 Menschen Arbeitsplätze. Es gibt eine 365-Tage-24-Stunden-Rund-um-die-Uhr-Notfallberatung. Bei allen Arbeitsplätzen wird großer Wert auf menschliche Qualifikation und fachliche Kontinuität gelegt. Die Krankenkassen sparen pro Patient je nach Krankenhausvergleich ca. 1 bis 2 Tausend Euro ein.

Dr. med. Bernhard Teupe, Internist, Diabetologe
Geschäftsführer des Diabetes-Dorfes Althausen

April 2003